Exposé zur Ausstellung

Fake-News oder Wahrheit? „Der kaukasische Hangmümmler – ausgestorben und fast vergessen“

von  Claus Maywald Dr.phil. Dipl.päd. M.A. und  Alexandra Wiebelt-Maywald Dr.rer.nat.

 I EINFÜHRUNG Der Hangmümmler – die Ebene von Wahrheit und Fiktion Die Ausstellung stellt den kaukasischen Hangmümmler sowohl in seiner kultur-und wissenschaftshistorischen Wahrnehmung, als auch in seiner biologischen Dimension dar. Beide Bereiche ermöglichen dem Besucher der Ausstellung einen breiten Einblick in Leben und Geschichte eines Tieres, das bis dato noch nie in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit geraten ist. Der Grund dafür ist einfach zu verstehen – den Hangmümmler hat es nie gegeben. Er lebt, weil er aus der Phantasie seiner Schöpfer entsprungen ist, weil Dokumente und Fakten aus anderen Zusammenhängen geschickt und mit Humor zusammen gestellt wurden. Damit ist der Besucher der Ausstellung angehalten, sich zu fragen, welche der Informationen, Objekte und Fakten echt sind oder was dazu dient, die Fiktion aufrecht zu erhalten. Alles Dargestellte versucht den Besucher vom Gegenteil zu überzeugen, weist auf ein existierendes Tier hin, und bringt ihn mit dem Hinweis auf die „Fake-News“ des Hangmümmlers in die Verlegenheit, an den einzelnen Objekten und Beschreibungen nachzuprüfen, was wahr oder was erfunden wurde. Fiktion und Wirklichkeit durchdringen sich und verdichten sich zu einem Gewebe, in dem durch Erzählen und Fantasieren eine fiktive Wirklichkeit geschaffen wird, jenseits gesicherter Fakten, aber auch nicht ohne diese. Fake-News oder Wahrheit ist daher die Frage. Wir hoffen, der Besucher kommt am Ende kritisch bereichert und amüsiert aus der Ausstellung wieder heraus.

Hangmümmler aus dem Kaukasus Historisches Museum Eriwan Claus Maywald Der kaukasische Hangmümmler

Ausgestopfter Hangmümmler (Capra caucasiana Linnaeus) Historisches Museum Eriwan: 1928 IV 1.2

 

II DANKSAGUNG Der Dank geht an die „Gesellschaft zur Wiederbelebung ausgestorbener und gefährdeter Tiere“  (GEWAGT) e.V.“ unter dem gegenwärtigen Vorsitzenden Dieter Steuer, an die Kollegen und Kolleginnen aus Eriwan – namentlich an Dr. Joshua Posch vom Historischen Museum, die Diplom-Bibliothekarinnen Elsah Asenkrü al Mel, Anna Schwämm-Chenropanna und Soniave Gansushi aus der dortigen Bibliothek, an Herrn F. Juri Schwalbe vom Institut für internationale Beziehungen und Sir Julian Bryt von der englischen Botschaft in Eriwan als aufmerksamer Vermittler vor Ort.

Das Museum in Alzey bekam den Zuschlag für die Ausstellung zum einen aufgrund der dort vorhandenen natur- und kulturhistorischen Ausprägung von Sammlung und Präsentation, zum anderen aufgrund der vorzüglichen Kontakte zum Forscherteam von Dr. Alexandra[1] und Dr. Claus Maywald[2] und deren Verbindungen nach Armenien, sowie dem in Mainz ansässigen Verein GEWAGT e.V. (Gesellschaft zur Wiederbelebung ausgestorbener und gefährdeter Tiere) unter der Leitung von Dieter Steuer.

 

 

 III AUSSTELLUNGSEBENEN 1 Der Hangmümmler – die kulturhistorische Ebene Die kulturhistorische Überlieferung des Hangmümmlers spannt den Bogen von der römischen Antike bis zur Gegenwart. Seine Darstellung wird in mehreren mittelalterlichen Handschriften, in Inkunabeln und Frühdrucken des 16. Jahrhunderts nachgewiesen. Während das 17. Jahrhundert aufgrund der in Europa angespannten Lage nur noch mit einem Nachweis aufwarten kann, finden wir das Tier gelegentlich in unterhaltsamen und lehrhaften Büchern für die Jugend des 18. und 19. Jahrhunderts wieder. Ergänzt wird diese Einheit durch einen Blick auf die lokale Traditionen des 19. und  20. Jahrhunderts, so wie sie in der Kaukasusregion gelebt wurde. Die Höhepunkte in diesem Bereich bilden auf der einen Seite die früheste Darstellung eines Hangmümmlers in einem aus der Spätantike entlehnten Physiologus des 9. Jahrhunderts, ein Bestiarium des 12. Jahrhundert und eine armenische Handschrift des 13. Jahrhunderts  mit Hangmümmer-Darstellung, eine Hangmümmlerinitiale in der „Peregrina terram sanctam“ von Bernhard von Breydenbach, Mainz 1488,  und auf der anderen Seite der frühe Artikel von F.P. Wilmsen im Handbuch der Naturgeschichte, Berlin 1831, sowie das Bildnis der heiligen Lara und ihrer Familie aus einer nordarmenischen Kirche, welches Anfang des 20. Jahrhunderts geschaffen wurde.

Physiologus mit Hangmümmler Darstellung Claus Maywald Der kaukasische Hangmümmler

Physiologus aus dem 9. Jahrhundert Karolingische Handschrift nach antiker Vorlage einer Handschrift des 4. Jahrhunderts Bern, Burgerbibliothek Cod.lat. 2

2 Der Hangmümmler – die wissenschaftshistorische Ebene Die wissenschaftshistorische Darstellung beginnt im 16. Jahrhundert mit einer Darstellung des Hangmümmlers in Conrad Gessners berühmten Thierbuch in der Ausgabe von 1565. Daran schließen sich zwei Jahrhunderte später Aufzeichnungen von Carl von Linné  und mehrere Dokumente der wissenschaftlichen Kaukasus Expedition von Robert Schoppman an, darunter sein Expeditionstagebuch. Charles Darwins kurze Erwähnung des Hangmümmlers in seinem berühmten Buch „Origin of Species“  und der Artikel in Brehms Tierleben sind dann ebenso vorhanden wie die diverse Korrespondenz zwischen den Instituten von Moskau, Berlin und Paris. Absoluter Höhepunkt hier ist die Notiz Carl von Linné in seiner Aufstellung der Objekte der Sammlung des Grafen Gustaf Tessin aus Schweden Ende des 18. Jahrhunderts.

Carl von Linné Klassifikation von Säugetieren Claus Maywald Der kaukasische Hangmümmler

Carl von Linné, handschriftliche Notizen zur Klassifikation von Säugetieren aus dem Jahr 1752. Schwedische Schlösserverwaltung Tessiani 5/R 301 und 5/R302

 

3 Der Hangmümmler – sein Aussterben Mit eindrucksvollen Dokumenten vor allem aus dem Bundesmilitär-Archiv in Freiburg/Br. wird das wahrscheinliche Aussterben des Hangmümmlers im Verlauf des zweiten Weltkriegs aufgezeigt.

4 Der Hangmümmler – die Biologie Die Stellung des Hangmümmler in das Ökosystem des Kaukasus (Der Kaukasus /  Pflanzenwelt im Kaukasus / Tierwelt im Kaukasus / Ausgestorbene Tiere im Kaukasus) wird ebenso wie die bisher bekannten biologischen Fakten zum Hangmümmler (Gestalt und Anatomie des Hangmümmlers / Überlieferte Bilder / Fotografie und Film / Original erhaltene Teile des Hangmümmlers / Skelett und Schädel / Hörner  / Fortpflanzung / Verbreitungsgebiet des Hangmümmler / Nahrung des Hangmümmlers / Wechselwirkungen mit anderen Organismen / Evolution des Hangmümmlers / Das Klonprojekt von Dr. Robert Neimeyer) in der Ausstellung ausführlich dargestellt. Das Prachtstück der Ausstellung stellt sicherlich das einzig vollständig erhaltene Präparat eines Hangmümmlers aus dem Historischen Museum in Eriwan (Armenien) dar.

Insgesamt werden über 60 größere und kleinere Objekte aus der Zeit vom 9. bis zum 20. Jahrhundert mit Bezug zum Hangmümmler ausgestellt werden, darunter drei wertvolle Handschriften, zwei seltene Autographen, Karten, Briefe und Dokumente aus dem Kaukasusgebiet, vorzüglich aus Armenien und Europa, dazu das weltweit einzig vollständig erhaltene Präparat des Tieres. Die Ausstellung bietet zum ersten Mal einen vollständigen Überblick über ein Tier, dass wie Dronte, Rhinogradentia, Quagga, Steinlaus und Moa durch das Wirken des Menschen ausgerottet wurde.

Lara Maywald Familie der heiligen Lara Kaukasus Claus Maywald Der kaukasische Hangmümmler

Die Familie der heiligen Lara Ein Bildnis aus einer armenischen Kirche, Anfang 20. Jahrhundert. Es soll aus der Gegend von Metsavan stammen und stellt die Heilige Lara zusammen mit ihren Eltern, der heiligen Alexandra und dem heiligen Nikolaus, dar.

 V Die Ausstellung im Museum der Stadt Alzey Die Ausstellung findet vom 30.1. 2018 bis zum 15.4. 2018 im Museum der Stadt Alzey statt. Zur Ausstellungseröffnung am Montag, den 29.1. 2018 werden Dr.phil. Karneth, Dr.phil. Heller-Karneth, Dr.rer.nat Wiebelt-Maywald, Dr.rer.nat. Kögel, Dieter Steuer, und Dr.phil.Dipl.päd. Maywald sprechen. Für die musikalische Begleitung in Form von armenischen Volksliedern sorgen der Komponist Jürgen Krekel und die Pianistin Dorothea Echarti. Wir hoffen darüber hinaus, ein paar Überraschungsgäste begrüßen zu dürfen.

VI Die Finanzierung der Ausstellung Die Finanzierung erfolgt bis jetzt aus den privaten Mitteln der Ausstellungsmacher. Für Katalogfinanzierung und Ausstellungsdesign sind Verhandlungen im Gang.

VII Die Unterstützer der Ausstellung In Alzey haben sich mehr als ein Dutzend Geschäftsleute bereit erklärt, für die Ausstellung zu werben und/oder direkt in Form von kleinen Zuwendungen zu unterstützen. Schulpartner der Ausstellung ist die Private Hildegardisschule Bingen (Gymnasium).

[1] Dr. Alexandra Wiebelt-Maywald ist Neurobiologin und Germanistin und arbeitet als Gymnasiallehrerin.

[2] Dr. Claus Maywald ist Historiker, Kunsthistoriker, Pädagoge, Buchbinder, Buchrestaurator, freischaffender Künstler sowie qualifizierter Sterbe- und Trauerbegleiter.