10 Feb
Die Reden von Dr. Claus Maywald und Dieter Steuer bei der Ausstellungseröffnung
Die beiden Reden liegen in ihrer Endfassung vor und können ab heute veröffentlicht werden.
Die Rede von Dr. Claus Maywald
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte meinen Part bei der heutigen Eröffnung zuerst dafür nutzen, mich bei den vielen Menschen zu bedanken, ohne die ein solches Projekt nicht zu realisieren ist. Für mich steht an erster Stelle die Direktion des städtischen Museums in Alzey, Frau Dr. Heller-Karneth und Herr Dr. Karneth, ohne deren Begeisterung und Hilfe die Ausstellung hier nicht stattfinden würde. Ein herzliches Dankeschön!
Anschließend darf ich mich in alphabetischer Reihenfolge bei Herr Holger Fröhlich, Herr Dr. Friedrich Kögel, Herrn Jörg Lock, Herrn Thomas Merken, Frau Petra Nikolic, Herrn Frank Obitz, Herrn Daniel Salzer und Frau Christine Seibel bedanken. Sollte ich jemanden vergessen haben, so bitte ich um Entschuldigung bei gleichzeitiger Aufnahme in den Kreis der Bedankten. Eine besondere Erwähnung verdient auch die Klasse 12 b 2 bzw. jetzt 13 b 2 der Hildegardisschule in Bingen. Ich bedanke mich bei der Klasse wie auch bei der Direktion für die zustande gekommene Kooperation. Ohne den Einsatz der Schule wäre der biologische Part der Ausstellung bei weitem nicht auf dem Stand, auf dem er jetzt ist. Abschließend geht mein Dank an alle siebzehn unterstützenden Geschäfte der Stadt Alzey, die mit ihrem Namen für diese Ausstellung werben.
Eine weitere Gruppe von Menschen, die direkt oder indirekt in das Projekt des Hangmümmlers mit eingebunden ist, und die sich heute unter uns im Publikum befinden, sind als nächstes hervorzuheben. Herrn Dieter Steuer vom Verein „Gewagt e.V.“ haben Sie schon kennengelernt. Darüber hinaus freut es mich, eine der Bibliothekarinnen aus Eriwan, Frau Anna Schwämm-Chenropanna (ich habe es hoffentlich richtig ausgesprochen) begrüssen zu dürfen, dazu Sir Julian Bryt von der englischen Botschaft, Dr. Joshua Posch vom Historischen Museum in Eriwan, Herrn Jury Schwalbe vom Institut für Internationale Beziehungen in Eriwan, sowie Frau Barbara Schoppmann, die Ur-Ur-Ur-Ur Enkelin von Robert Schoppmann, dem bekannten Kaukasusforscher. Es ist mir eine große Ehre, sie alle unter uns zu wissen. Vielen Dank!
Wenn ich mir nun erlaube, im Rahmen der Ausstellung zum kaukasischen Hangmümmler etwas über Lüge und ihre modernen Varianten von „alternativen Fakten“ und „Fake News“ zu erzählen, dann geschieht das nur der Wahrheit wegen. Und in Wahrheit ist unser Talent, Unwahrheiten zu äußern und zu verbreiten, quasi naturgegeben. Betrug, Lüge und Fake News liegt uns Menschen im Blut, sind Teil des Menschseins. Die Lüge hat sich mit der Entwicklung der Sprache fest etabliert. Die Fähigkeit andere zu manipulieren, ohne körperliche Kräfte einzusetzen, verleiht nicht nur historisch gesehen Vorteile im Wettbewerb um Ressourcen und Partner und stärkt damit diese Fähigkeit weiter. Einsichtig, wenn man bedenkt, um wie viel leichter es ist, jemanden mit einer Lüge sein Vermögen abzunehmen, als ihn niederzuschlagen oder eine Bank auszurauben. Die erste Lüge war ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Menschheit und dann auch jedes einzelnen Menschen. Und um wie viele Klassen werden wir im Laufe unseres Lebens besser! Wer jetzt das Gegenteil behauptet, hat schon gelogen. Als soziale Wesen brauchen wir auch Vertrauen. Vergessen wir nicht, dass ein großer Teil unseres Wissens und unserer Überzeugungen, mit dem wir durch das Leben navigieren, den Erzählungen anderer entstammt. Durch die Fähigkeit zu lügen wird Vertrauen missbraucht. Im Vergleich aber zu dem Nutzen, den das Vertrauen allen bringt, schadet es relativ wenig, wenn wir gelegentlich übers Ohr gehauen werden. Ob das Ihnen mit dieser Ausstellung passieren wird, will ich nicht entscheiden. Sicher ist erst einmal, dass der Hangmümmler ihr Wissen auch in biologischer und kulturhistorischer Hinsicht erweitern kann – vertrauen Sie also diesem Teil der Nachricht.
Sollten Sie nun zu denjenigen gehören, die alles, was in der Ausstellung geboten wird, für wahr halten, dann besagt das in aller Regel nur, dass Sie, wie alle Menschen auch, das glauben wollen, was Ihnen passt. Im Kontext der Lügenforschung heißt es, dass wir besonders geneigt sind, Lügen zu akzeptieren, die unsere Weltsicht bestätigen. Insbesondere sträuben wir uns kaum gegen Täuschungen, die uns gefallen, die uns schmeicheln oder uns trösten. Wir schaffen uns im Lauf des Lebens ein quasi bequemes Wohnzimmer unserer eigenen Weltanschauung und reagieren schnell und ohne viel Bewusstsein mit den Begriffen von „stimmt“ oder „stimmt nicht“ auf alle eintreffenden Neuigkeiten. Passen Sie also auf, dass Ihnen die Ausstellung nicht zu sehr gefällt oder seien Sie sich bewusst, dass das Gefallen daran mit ihrem Gefühl für Wahrheit korreliert.
Sollten Sie zu denjenigen gehören, die alles mit und um den Hangmümmler als ein reines Lügengebäude betrachten, so entgehen Ihnen leider vielfältige Tatsachen und Einsichten, die Sie für sich als „Lüge“ markiert haben, obwohl sie es gar nicht sind. Wie bei denjenigen, die alles allzu gerne glauben – nur umgekehrt. Auch für Sie lohnt sich daher ein Nachdenken darüber, was „wahr“ sein soll. Haben im Bereich der Biologie nicht Generationen vor uns an die Existenz von Einhörnern und anderen mythischen Tieren geglaubt? Waren diese Tiere nicht wirkungsmächtig auf die Gedanken und das Handeln der Menschen, also von daher präsent und real? Sind Sie zudem noch mit der Eigenschaft ausgestattet, ihren Mitmenschen erklären zu wollen, warum hier alles gelogen ist, dann denken Sie bitte daran, dass das Widerlegen von Lügen deren Macht nicht schmälert. Beweise, die Lügen entlarven, stärken in Wirklichkeit öfter den Glauben an diese. Das heißt, jedes Mal, wenn Sie versuchen, den entsprechenden Sachverhalt ihrer Meinung zum Hangmümmler richtig zu stellen, gehen Sie das Risiko ein, die von Ihnen als Lüge markierte Information durch die Weitergabe vertrauter und damit seriöser zu machen. Sie werden also die „Gläubigen“ wenig überzeugen können.
Wenn es bei Ihnen ein „weder-noch“ ist, – und diese Haltung ist mir ehrlich gesagt am liebsten – dann bleibt Ihnen der mühsame aber wertvolle Weg nicht erspart, Ihren schnellen Reflexen einmal nicht zu vertrauen und ihr behagliches Wohnzimmer der festgefügten Meinungen und Wahrheiten für kurze Zeit zu verlassen. Sie haben die Chance, sich auf eine vergnügliche Zeit mit dem Hangmümmler einzulassen und zu überlegen, was Sie wirklich erkennen und einschätzen können. Woher wissen Sie, dass d a s niemals stimmen kann und d a s echt wahr ist? Betrachten Sie das Fundament ihrer Entscheidungszentrale und spielen Sie wieder einmal mit den vielen Knöpfen, die sich vor ihnen befinden. Aus gut unterrichteter Quelle weiß ich, dass da wirklich was in Bewegung kommen kann!
Das Geheimnis der Ausstellung liegt also nicht im Lüften der so sicheren Wahrheit, sondern im Spielen und Ringen um die Wahrheit, um Vertrauen und Misstrauen, um unsere Entscheidungsfindungen und Weltbilder. Beim Hangmümmler ist alles noch irgendwie lustig, und die Lüge, um andere zu amüsieren, gehört sicherlich zu den edelsten Motiven von Fake News. Was aber, wenn es sich bei den Handschriften um Urkunden und Verträge handelt, wenn die Geschichten zu glaubhaften Nachrichten frisiert werden? Dann hilft nur das eigene Abwägen – hilft es, den reflexhaften Schreiern der einen oder anderen Seite nicht nach zu machen. Ich brauche nicht wirklich zu betonen, dass es im übertragenen Sinn zur Zeit leider sehr viele Hangmümmler gibt, die frei herumlaufen.
Genug! Ich traue ihnen den eigenen Weg zu! Alle drei von mir erwähnten Geisteszustände, die Believer, die Misstrauischen und die Abwägenden sind herzlich eingeladen, sich bestärkt in der Ausstellung umzusehen. Nehmen Sie in diesem respektablem Museum Wahres und Gelogenes mit kritischem Bewusstsein oder Grundvertrauen auf und tragen Sie ganz im Sinne klassischer Fake News ihre Wahrheit anschließend weiter. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!
Die Rede von Dieter Steuer
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Name ist Dieter Steuer und ich spreche heute zu Ihnen in meiner Rolle als Vorsitzender der „Gesellschaft zur Wiederbelebung ausgestorbener und gefährdeter Tiere (GEWAGT) e.V.“ mit Sitz in Mainz. Unsere Gesellschaft hat sich die Aufgabe gestellt – ich zitiere aus der Satzung vom 23.08. 2011 „…die Erinnerung an ausgestorbene Tiere dauerhaft am Leben zu erhalten.“ Dieser Aufgabe können wir in Bezug auf den Hangmümmler durch die intensive Zusammenarbeit und Förderung der Arbeiten des Forscherehepaar Wiebelt Maywald und dem „Hangmümmler-Institut of Germany and Armenia“ in Bingen, kurz HIGA genannt, gerecht werden. Es entspricht auch dem Geiste unserer Satzung, beiden Forscher auf ihrem abenteuerlichen Weg in den Kaukasus alle nur denkbare Unterstützung anzugedeihen.
Im Rahmen des heutigen Abends darf ich Ihnen etwas über die Entstehungsgeschichte der Ausstellung mitteilen, in die ich – wie auch die Gesellschaft – persönlich involviert waren. Die Kenntnis und das sich daran anschließende Interesse an dem Tier beginnt in Deutschland im Jahre 2004. Herr Dr. Claus Maywald stolperte bei einer Arbeit über die Ausgabe „De peregrinatio in terram sanctam“ von Bernhard von Breyden-bach, Mainz 1488, in der sich eine der ältesten Darstellung des Hangmümmlers befindet, über dieses ihm bisher unbekannte Tier – die Ausgabe ist hier im Raum zu sehen. Seine Frau, die Biologin Dr. Wiebelt-Maywald ist sogleich von der Aufgabe fasziniert, dem bisher auch ihr unbekannten Wesen neue Kraft einzuhauchen. Somit wird das darauf folgende Jahr zur Geburtsstunde ihres gemeinsamen Lebens mit dem Hangmümmler – eine Suche, die für beide übrigens auch heute noch nicht zum Abschluss gekommen ist, auch wenn die intensivsten Recherchen im Sommer 2011 leider vorzeitig ihr Ende fanden. Zu diesem Zeitpunkt werden die ersten Kontakte unseres Vereins zu den beiden geknüpft.
Mit tatkräftiger Unterstützung können sie im selben Jahr eine längere Reise nach Eriwan und in den Kaukasus unternehmen, welche durch Vermittlung der „Gesellschaft“ zustande gekommen war. In der ihnen Anfangs recht fremden Umgebung werden die Wissenschaftler von den dortigen Kollegen freundlich aufgenommen und können mit ihrem Anliegen bis zu den relevanten Stellen vordringen. Damit war die Chance gegeben, ihr bislang gesammeltes Wissen und Erfahrungen mit dem dort vorhandenem Kenntnisstand abzugleichen und auf den neuesten Stand zu bringen. Dem intensiven Austausch vor Ort verdanken beide neue und tiefgreifende Erkenntnisse über Leben und Sterben des Hangmümmlers, seinem Lebenszyklus, seine Eigenarten und Verhaltensweisen sowie seine Stellung im Ökosystem des Kaukasus – Informationen, die im Westen Europas in dieser Art nicht vorhanden sind.
Nach ihrer ersten Rückkehr aus Armenien Anfang 2012 wird beiden Doktoren der Wunsch angetragen, ihre Kenntnisse und Erfahrungen einem breiteren Publikum in Deutschland nahe zu bringen. Wiederum ist es die „Gesellschaft zur Wiederbelebung ausgestorbener und gefährdeter Tiere (GEWAGT) e.V.“ in Zusammenarbeit mit dem 2016 neugegründeten Hangmümmler Institut von „Germany and Armenia„ HIGA in Bingen, die ihnen alle nur denkbare Unterstützung sowie die Mittel und Möglich-keiten einer Ausstellung zur Verfügung stellen.
Dabei ist es der Gesellschaft ein besonderes Anliegen, den Hangmümmler vor allem der Jugend ans Herz zu legen. Aus diesem Grund wird entschieden, die Ausstellung trotz der wertvollen Exponate gerade an solchen Orten zu zeigen, wo die Jugend das Tier intensiv und genauestens studieren kann – wie zum Beispiel im Historischen Museum von Alzey. In der Sammlungsbreite des Hauses finden sowohl naturkundliche wie auch kulturhistorische Objekte und Themen ihren Platz, was diesen Ort für die Präsentation des Hangmümmlers geradezu ideal erscheinen lässt. Aufgrund der politischen Entwicklungen im Kaukasus verschiebt sich das Projekt immer wieder, bis es endlich in diesem Jahr verwirklicht werden kann.
Ich denke, dass die von der Gesellschaft GEWAGT e.V. gesetzten Erwartungen mit der heutigen Ausstellung erfüllt werden. Unser Anliegen, die Erinnerung an den Hangmümmler weiterhin aufrecht zu erhalten und vor dem Vergessen zu bewahren, wird ab dem heutigen Tag in besonderer Weise Rechnung getragen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!